Artillery Genius Pro

Nach längerer Abstinenz bin nun in der RG-65 Welt zurück und nach einigem Abwägen habe ich mich entschlossen, mich vor allem dem 3-D gedruckten Bootsbau zu widmen, nicht der Konstruktion von Booten. Das würde mich zuviel Einarbeitungszeit kosten und wird sowieso u.a. von ausgezeichneten Konstrukteuren wie Andy Hoffman bereits äußerst erfolgreich wahrgenommen. Nein, mir geht es darum Boote zu bauen und die vielen Kleinigkeiten und einzelne Teile, die zum Bootsbau gebraucht werden, optimal druckbar zu machen, vielleicht neue Lösungen zu finden. Dazu passt, dass ich mir einen neuen Drucker zugelegt habe, den bereits genannten Artillery Genius Pro. Über das Teil möchte ich aus ganz persönlicher Perspektive berichten.

Nicht, dass ich mit dem Vorgänger Alfawise U30 Pro unzufrieden war. Nach einiger Kalibrierarbeit druckt er jetzt wieder in gewohnt guter Qualität. Nein, ich wollte einfach etwas auf dem aktuellen Stand von Technik und Design.
Auf den Genius hatte ich schon seit seinem Erscheinen mein Augenmerk geworfen. Die bis dahin einzigartige Kombination vieler nützlicher Features mit einem aufgeräumten Design und offenkundiger Leistungsfähigkeit fand ich spannend. Doch Unstimmigkeiten in der RG-65 Gemeinde, aber letztlich vor allem Corona ließen dann das alles irgendwie in den Hintergrund treten. Erst jetzt ist mein Interesse wieder da. Sowohl an RG-65, wie auch am 3D-Druck.
Da traf es sich gut, dass Artillery zwischenzeitlich den Genius Pro heraus gebracht hatte und ein Händler ihn tatsächlich für sagenhafte 199 €uro anbot! Ein Super-Schnäppchen, bei dem ich einfach zugreifen musste!

Beim Genius Pro hat Artillery konsequent eigentlich alle Schwachstellen und kleine Unzulänglichkeiten eleminiert, die von den Nutzern des ersten Genius kritisiert worden waren. So gibt es nun z.B. Entlastungen für die Flachbandkabelanschlüsse, ein robustes Kabel für das 230 V Heizbett oder einen soliden Ersatz der oft brechenden Plastikfedern für die Spindellager auf der Z-Achse. All dies ist bei YouTube umfassend dokumentiert und soll hier auch gar nicht weiter vertieft werden.
Den Drucker in Betrieb zu nehmen war ganz anders als noch beim Alfawise mit einem besonderen Gefühl verbunden. Der Aufbau war tatsächlich schnell erledigt, super einfach und dann spürte ich dieses Gefühl gediegener mechanischer Solidität und Wertigkeit unter meinen Händen. Alles was ich erwartete war nicht nur da, nein, es war auch am richtigen Platz! Es war wie das Schließen einer Tür an einem alten Mercedes. Damals hörte man nur ein sattes, leises „Wupp“!

Die ersten Drucke mit Curas Standardeinstellungen gelangen überraschend so gut, dass ich schon zu glauben begann, um irgendwelche Kalibrierungsarbeiten oder dergleichen herum zu kommen. Doch diese anfängliche Euphorie legte sich bald wieder. Weitere Testdrucke zeigten mir recht deutlich, dass für exzellente Ergebnisse noch Kalibrierarbeit zu leisten war.
Also Pronterface installiert um zunächst den Extruder zu kalibrieren. Erstaunlicherweise zog er exakt 100 mm Filament auf den Millimeter genau durch. Na gut, ok.
Dann das PID-Tuning. Da beschränkte ich mich auf die Nozzle und machte mit Pronterface das Automatik-Tuning.
Zuletzt druckte ich diverse Hohlcubes, vermaß sie und stellte dann den Fluss, also die Volumenmenge des geförderten Filaments, mit 90 % im Curaprofil ein.
Die Drucktests waren nun schon erheblich besser, doch ein Problem blieb: Stringing und damit verbunden eine deutliche Z-Naht.
Eher zufällig stieß ich in einem Artikel bei Drucktipps 3D auf die Lösung. Der Genius Pro hat einen Direct Drive Extruder und benötigt nur eine kurze Retract-Länge von 0.5 – max. 2 mm. Meine eingestellte Länge von 5 mm erwies sich als Ursache des Problems. Bowden Extruder mögen eher 4 – 8 mm Retract-Länge.
Jetzt drucke ich mit 0,5 mm und die Ergebnisse sind m.E. perfekt.

Inzwischen habe ich meine Cura-Profile für PLA für den normalen Druck und für den im Bootsbau besonders wichtigen „Vasenmodus“ soweit abgestimmt, dass ich mit meinen drei verschiedenen PLAs von Extrudr, Redline und Jayo (Billigfilament von Amazon) mit den gleichenEinstellungen wirklich fehlerfreie und optisch einwandfreie Ergebnisse erziele.
Demnächst gehe ich die Profile für PTEG und TPU an.

Fazit. Mit dem Genius Pro wirklich rundum zufrieden. Besser geht in dieser Preisklasse und bei diesem Gerätetyp derzeit wohl kaum und ich vermisse absolut nichts. Das merkt man auch daran, dass ich bisher keinerlei Upgrades für erforderlich halte. „Out of the box“ druckt er bereits ordentlich. Für größere Ansprüche kommt man aber auch bei ihm nicht um Einstellarbeiten und insbesondere saubere Profile für den Slicer nicht herum.
Perspektivisch werde ich wohl nur zwei Änderungen vornehmen, wenn ich sowieso einmal an den entsprechenden Bauteilen arbeiten muss. Denn, never change a running system! Im Extruder werde ich diverse Plastikteile durch Metallteile ersetzen und die Federn unter dem Druckbett gegen Silikondämpfer austauschen. Das wär es dann aber aber auch schon.

Wie der Alfawise U30 Pro findet der Genius Pro seinen Platz in der Einhausung im IKEA Ivar-Regal. Das Filament befindet sich auf dem Regalbrett über dem Drucker. Dafür musste ich einen extra Rollenhalter drucken, da ich das Original nicht verwenden konnte und wollte. So bedurfte es auch einer Befestigunglösung für den Filamentsensor. Der hängt nun ganz simpel an einer Schnur unter dem Brett und verrichtet klaglos seine Arbeit.

Würde ich den Genius Pro wieder kaufen? Unbedingt! Aus meiner Sicht gibt es in der Preisklasse derzeit keinen Portaldrucker mit derartigen Features und besserer Druckqualität auf dem Markt. Ich würde ihn meinen Freunden empfehlen.
Und nein, ich bekomme kein Geld von Artillery oder anderen für diesen Beitrag.

Edit vom 28.08.2023
Inzwischen nutze ich als Slicer ausschließlich den ideaMaker von Raise3D. Der ist wie Cura gratis, bietet aber m.E. viel mehr. Das Bedienungskonzept ist aber deutlich anders und zumindest ich brauchte etwas, um mich von Cura umzustellen. Doch es hat sich eindeutig gelohnt und spart zumindest für mich ein teures Kaufprogramm wie Simplify3D.

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